44 Leningrad

Ein Vierteljahrhundert sind sie jetzt schon unterwegs - unermüdlich und immer auf den Spuren der unendlich russischen Weite, mit ihren unerschöpflichen Vorrat an Liedern.

44 Leningrad gaben sich ihren Namen 1990 in einer wilden Zeit zwischen Häuser besetzen und Lebenswege finden. 4 Musiker waren es damals, die in einem umgebauten Wohnzimmer die ersten russisch klingenden Melodien fanden, daher auch der Name: vier für Leningrad (four for Leningrad).

Mit ihrem Off-Beat, den 44 Leningrad  "Russian Speed Folk" nennen, der zwischen östlichem Volkslied und westlichen Pop, zwischen Polka und Ska schon immer eine musikalische Brücke geschlagen hat, bringen sie ihr tanzwütiges Publikum zum brodeln. Seit Kaminers Russendisko und die Klezmer-Balkan-Welle die deutschen Clubs in Beschlag genommen haben, weiß eine breitere Öffentlichkeit um den Charme der eklektizistischen Mischung aus Ska, Punk, Polka und Folklore.

Sei es an den Küsten, wo man lässig mit dem Zeh wippt; zur Bunten-Republik Neustadt in Dresden, wo auch mal Bassisten übers Publikum getragen werden; zum Hafenfest in Hamburg, in den Schweizer Bergen oder in Österreich. Im Osten, Westen, Norden und Süden reitet die Band beim Konzert eine Attacke nach der anderen auf die Tanzmuskeln. Der Nachahmer gibt es inzwischen viele, doch auch nach über 20 Jahren klingen die Potsdamer durch ihren ganz eigenen Stil nach Original.

Gründungs-Urgesteine des Quintetts sind Theo (Gesang, Gitarre, Bass), Ullli (Akkordeon, Gesang) und Göran Gnaudschun; dazu kam bald der Gitarrist Yeti aus den weiten der Potsdamer Hausbesetzerszene. Seit 2007 verstärkt Rumo die Havel-Kosaken mit lyrischen Tönen seiner Klarinette und virtuos am Bass und zuletzt ist der Schlagzeuger Matze wieder zugestiegen, der die Band bereits vor Jahren äußerst taktvoll durch die Auftritte getrommelt hat. So fährt das musikalische Gespann durch die Lande - es steigen Musiker ein und wieder aus - doch die Partysanen ziehen immer weiter.

Unvergessen die Sopranistin Jule, die mit ihrer unübersehbaren Präsenz eine ganze Epoche 44Leningrads geprägt hat, oder aber Martin der durch seinen unnachahmlich warmen Trompetensound und seine funkigen Soli lange Zeit 44Leningrad melodiös, grandios umspielt hat. Nicht zuletzt Silvio, der fast 10 Jahre den Sound der Band mit seinem selbstgebauten Schlagzeug und jeder Menge Power prägte.

So kann man von den ehrlich-punkigen Anfängen der ersten Veröffentlichungen „44 Leningrad“ und „Greetings from cold Omsk“ damals noch auf Kassette – (wer heute eine besitzt, kann sich glücklich schätzen) über „Zarapina",  „St Ihlow" zu der legendären Blechdose „STOI!“ und „Don Kilianow“ eine wunderbare musikalische Entwicklung erkennen, gespeist aus den Erfahrungen der 44Leningrader und der Bereicherung, die alle Mitwirkenden an ihren Projekten hineingegeben haben. Das letzte Album haben sich die Musiker selbst zum Geschenk gemacht, „20 Jahre 44 Leningrad“ mit einer Sammlung der besten Lieder und einem liebevoll gestalteten Booklet mit Fotos aus allen Epochen.

Vielleicht ist die Beständigkeit ihrer Fans über viele Jahre hinweg  damit zu erklären, dass sich die 44Leningrader immer selber treu geblieben sind. Manchmal lockte das große Geld oder wurde mit einem Plattenvertrag gewunken, doch die Freiheit haben die bodenständigen Musiker nie eintauschen wollen.

Und so zieht der Treck denn weiter in alle Himmels- und neue Musikrichtungen, immer auf der Suche nach neuen Liedern, Rhythmen und Melodien, um gemeinsam mit ihrem Publikum den Abend zu feiern.

Ein Vierteljahrhundert sind sie nun schon auf der Reise, die über Umwege stets nach Osten führt. 900 Mal wurde dabei geprobt, 700 Konzerte wurden gespielt, ebenso viele Liter Wodka  wurden verzehrt, 480.000 Kilometer zurückgelegt, 14 Musiker verschlissen, 8 Kinder geboren, 80.000 Besucher bespaßt, ein Akkordeon abgebrannt, 8 Platten aufgenommen.

Und eins hat sich bisher immer bewahrheitet: Es regnet nie, wenn sie spielen.